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Lexware-Mountainbikerin Sina van Thiel - "Danke für die Erfahrungen, die ich sammeln durfte" - Blockbeitrag von U-23-Mountainbikerin Sina van Thiel nach den Cross-Country-Weltcups in den USA und Kanada

Die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und der Ostküste der USA liegt aktuell bei sechs Stunden. Zwei Tage vor dem Abflug habe ich noch  einmal mit meinem Trainer telefoniert. Sein Rat war: "Jetlag ist  vielmehr eine Kopfsache - schau einfach, dass du dort zu einer  einigermaßen 'normalen Zeit' ins Bett gehst, so bis 20 Uhr Ortszeit  durchzuhalten wäre gut". Der so genannte Anreisetag dauerte dieses Mal  mehrere Tage. Für mich ging es bereits am Montag mit dem Auto drei  Stunden bis zu unserem Physio Flo. Hier habe ich kurze fünfeinhalb  Stunden übernachtet. Um halb vier Uhr ging die Reise weiter nach  Freiburg. Nachdem wir dort alle mitreisenden Teammitglieder eingesammelt  hatten, ging die Fahrt nach einem kurzen Stopp beim Bäcker direkt nach  Frankfurt. Vor uns lag ein achtstündiger Flug und eine fünfstündige  Autofahrt. Der Flug, finde ich, hat sich eher angefühlt wie Kino. Ich  glaube jeder von uns hat mindestens drei Filme angeschaut bis wir gut in  Washington gelandet sind. Nachdem Thomas das Leihauto geholt hatte,  haben wir uns auf den Weg zum Weltcuport Snowshoe gemacht. Um 19 Uhr war  ich bereits so müde, dass ich innerhalb von einer Minute dreimal auf  die Uhr geschaut habe, ob jetzt nicht schon 20 Uhr ist und ich endlich  die Augen schließen darf. Kaum war es 20 Uhr, ging das gesamte Team zum  Walmart zum Einkaufen. Doch ich muss ehrlich sagen, ich war den anderen  keine große Hilfe, denn ich bin in der ganzen Zeit nur dreimal durch den  Laden gelaufen, bis ich den richtigen Adapter fürs Laden von Handy und  Garmin gefunden hatte. Auch danach war Schlafen unmöglich, denn das  Einkehren beim Burger King konnte ich mir nicht entgehen lassen. Erst  danach war im Auto Zeit für ein Nickerchen. Um halb ein Uhr nachts sind  wir dann in Snowshoe ins Bett gefallen. Ich habe 24 Stunden am Stück  weitgehend wach überlebt und muss sagen, ich hab’s mir viel schlimmer  vorgestellt.

Wir hatten dann noch den Mittwoch als Vorbereitung, bevor am Donnerstag  schon das Short Race stattfand. Die Strecke durfte man noch nicht  besichtigen. Nachdem jeder so lange geschlafen hatte, wie er konnte, hat  Marius uns die Räder zusammengebaut. Am Nachmittag sind wir dann eine  Runde gefahren. Ich bin zusammen mit Lennart auf den Straßen unterwegs  gewesen, während Paul den Wald unsicher gemacht hat. Lennart und ich  hatten ein bisschen Angst vor Bären, während die Bären wahrscheinlich  mehr Angst vor Paul hatten. Hier in Snowshoe ist wirklich nichts außer  Wald. Ich glaube, um Snowshoe herum ist im Umkreis von 40 Kilometern  wirklich nichts als Wald. Im Training hat Lennart seine Intervalle als  Vorbelastung fürs Short Race gemacht und ich meine Sprints, aber leicht  ist es uns nicht gefallen.

Von Mittwoch auf Donnerstag hab ich relativ gut geschlafen. Zum Glück,  sonst wäre wohl der Tag nicht gut gelaufen. Von der Anreise habe ich  mich noch immer ein bisschen schwach gefühlt. Am Vormittag bin ich das  erste Mal auf die Cross-Country-Strecke gegangen. Da es die letzten Tage  neblig war und auch geregnet hatte, war die Strecke sehr rutschig - vor  allem die Wurzeln und Steine. Ich hab mir gleich von Anfang an gröbere  Reifen aufziehen lassen und habe mich mit Ralph-Ralph auf die Strecke  getraut. Ich habe schnell festgestellt, dass es die richtige  Entscheidung war. Die Abfahrten waren zwar sehr rutschig, doch je  schneller man gefahren ist, desto besser kam man zurecht. Bei der ersten  langen Abfahrt war ein kleiner Bereich, bei dem man mit dem Lenker  genau zielen musste, dass man zwischen den Bäumen hindurchkam. Ich hab  mich gar nicht getraut hinzuschauen, wieviel Platz rechts und links vom  Lenker noch ist, weil ich mir sonst vielleicht doch zu viel Gedanken  gemacht hätte, ob ich es überhaupt schaffe - also hab ich es lieber  gelassen. Der erste Eindruck der Strecke war top: Slip and Slide mit  einer extra Portion Spaß. Danach ging's nur noch um die Frage, wann esse  ich noch was und wie kann ich mich vor dem Short Track noch  einigermaßen gut erholen. Die Zeit bis zum Race ging dann aber schneller  vorbei als erwartet. Und dann ging es auch schon los. Wir hatten das  Glück, dass der BDR zwei Rollen mitgenommen hatte und wir diese auch  benutzen durften. Das hat mich beruhigt, weil ich nicht wusste, wie ich  damit klar komme, wenn ich mich auf der Straße warmfahren muss. Das  letzte Mal, als ich ohne Rolle warmgefahren bin, war ich glaube ich 13  oder 14 Jahre alt, ist also schon eine kleine Ewigkeit her. Die  XCC-Strecke verlief über die zweite Hälfte der Cross-Country-Strecke,  war also eher technisch mit einer Wiesenabfahrt und dem Rockgarden. Da  auch der Rest der Strecke eher eng war, war in Snowshoe auch im Short  Race eine Startloop zu absolvieren. Mein Start war richtig Bombe. In der  ersten richtigen Runde hatte es mir allerdings mein Rad einmal wegen  eines Steins voll versetzt und ich war kurz davor zu stürzen, was mich  zunächst aus dem Konzept gebracht und ein paar Plätze zurück geworfen  hat. Irgendwann habe ich noch einmal richtig in den Race Mode gefunden  und konnte wieder angreifen. In der letzten Runde habe ich dann noch  einmal einen Platz gutmachen und mir auch beim Zielsprint eine weitere  Konkurrentin schnappen können. Danach war ich erst mal fertig, ich  glaube, die Höhenluft hat auch ziemlich gekickt. Mit Platz elf war ich  sehr zufrieden und die Motivation für den Cross-Country-Wettkampf am  Sonntag war hoch. Als ich ausradeln war, sind die Jungs gerade mitten im  Kampf um eine gute Platzierung gewesen. Ich habe nur noch ihre  Zieleinfahrt gesehen. Paul ist als 13. und Lennart als 25. ins Ziel  gekommen. Gerade für Lennart war es ein bisschen schade, dass er die Top  24 um einen Platz verpasst hat. Später hat er mir erzählt, dass er beim  Start gestürzt ist und ich muss sagen, dass es dafür eine krass gute  Leistung von ihm war. Im Short Race geht es immer sehr schnell zur  Sache. Wenn am Anfang etwas schiefgeht, ist es vom Kopf her schwer,  wieder zur Sache zu kommen. Zumal, wenn dadurch auch gleich noch eine  Lücke zum Feld aufgeht. Im Kopf wieder auf Angriff umzuschalten, statt  aufzugeben, ist eine Challenge für sich. Lenny hat das aber mit Bravour  gemeistert.

Insgesamt waren wir alle mit unserer Leistung zufrieden und so war auch  die Stimmung im Team richtig gut. Am Abend gab es Burger zu essen. Und  eins muss man sagen: Das Essen auf den Weltcups war schon immer gut,  doch dieses Mal hätte niemand die Kochkunst von Thomas toppen können. Es  war einfach ein bombastisch geiles Essen. Es war einfach nur genial.  Und wer mich kennt, weiß, dass Essen meine Stimmung ganz schön  beeinflussen kann – dieses Mal gab es mir auf jeden Fall einen schönen  Schub in die positive Richtung. An diesem Abend haben wir uns dazu  entschieden, zusammen einen Horrorfilm anzuschauen. Wir haben uns für  „Smile“ entschieden. Ich muss sagen, ich habe mir wirklich fast in die  Hose gemacht: Ich habe mich auf die Couch gesetzt mit zehn Kissen und  einer Decke, damit ich mich irgendwo festhalten konnte. Ich weiß nicht  warum, aber der Film hat mich richtig mitgerissen. Mitgeschaut haben  Lenny und Flo. Wobei, ob man das bei Flo als mitschauen bezeichnen kann,  weiß ich nicht. Der Schisser hat sich dauernd irgendwelche Aufgaben  gesucht, um nicht hinschauen zu müssen: Küche aufräumen, putzen und  Einkaufsliste schreiben war für ihn auf einmal sehr wichtig. Wir haben  den Film an dem Abend nur bis zur Hälfte geschaut. Danach hat sich Flo  zu mir gesellt und wir haben zusammen den Kinderfilm „Rio“ angeschaut,  um später keine Albträume zu bekommen, wenn wir ins Bett gehen. Es war  die richtige Entscheidung. Ich habe gut geschlafen.
Es waren noch zwei Tage Zeit bis zum Cross-Country-Rennen.  Steckentraining stand auf dem Programm, an diesem Tag war ich zusammen  mit Nina draußen. Zusammen haben wir noch einmal Verbesserungen bei der  Linienwahl und beim Fahrspeed erarbeitet. Es hat wirklich Spaß gemacht,  zusammen die Runden zu drehen. Die Jungs hatten nach mir Training und  ich bin zusammen mit Flo zu Fuß auf dem Renngelände unterwegs gewesen.  Ich finde, man kann sich bei den Männern nochmal viel abschauen und  lernen. Gerade was die Linienwahl angeht, aber auch bei den  Geschwindigkeiten. Ich habe noch ein paar Sachen entdeckt, die ich am  nächsten Tag ausprobieren wollte.

Am Abend haben wir dann die zweite Hälfte von „Smile“ angeschaut. Dieses  Mal hat Paul auch mitgeschaut und Flo fielen auch keine Aufgaben mehr  ein, die er zu machen hatte. Wir hatten Paul vorgewarnt vor dem  schlimmsten Horrorfilm, doch ich muss sagen, es war zwar gruselig, aber  lang nicht so schlimm wie am Vorabend. Ich weiß nicht woran es lag,  vielleich weil man wusste, was ungefähr auf einen zukommt und man am  Vortag  unvorbereiteter war. Danach die zweite Hälfte von „Rio“. Ich  muss sagen, der Horrorfilm hat abgefärbt: Die Jungs standen die zwei  Wochen über immer wieder mit dem typischen „Smile“ auf dem Gesicht  im  Wohnzimmer – und wer den Film kennt, weiß, dass das in manchen  Situationen ganz schön gruselig rüberkommen kann, vor allem, wenn von  Paul dann noch der Stinkefinger dazukommt.

Die Jungs waren so nett und sind tags darauf mit ins Mixedtraining  gegangen, damit ich mit ihnen zusammen auf die Strecke gehen kann. Ich  freue mich immer voll, wenn das klappt, weil ich finde, die Jungs haben  beim Fahren nochmal so eine gewisse „Lässigkeit“, vor allem bergab, was  uns Mädels oft noch fehlt. Ich habe an dem Tag gedacht, ich muss mal  noch einen anderen Reifen ausprobieren. Vor dem Training hat mir Marius  vorne den supersoften „Ray“ aufgezogen. Ich bin damit aber überhaupt  nicht klargekommen. Ich denke, ich war vom Gefühl her den „Ralph“ schon  so stark gewohnt, dass mich das Weiche eher aus dem Konzept gebracht  hat. Trotzdem haben die Jungs auf mich gewartet. Leider konnte ich  dieses Mal bei der Runde mit ihnen nicht so viel mitnehmen, weil ich  mehr mit mir selbst beschäftigt war. Ich bin nach der ersten Runde  schnell wieder zur Unterkunft gefahren und habe wieder auf den „Ralph“  gewechselt. Es hat sich angefühlt, als hätte ich mich selbst  wiedergefunden. Ich bin auch auf der Strecke gleich wieder gut  zurechtgekommen. Die letzten Feinheiten hab ich dann noch auf der  letzten Runde gemacht.

Dank meines elften Platzes bin ich beim Cross-Country-Rennen aus der  zweiten Reihe gestartet. Ich dachte eigentlich, dass das gut sei.  Allerdings hab ich beim Start dann das Gegenteil bewiesen bekommen. Die  Fahrerin vor mir ist gestartet als wäre es ein Marathon. Viele Gedanken  waren gleichzeitig in meinem Kopf. Sie ist einfach nicht vom Fleck  gekommen, während die anderen ihre Rakete gezündet haben. Hinter ihr bin  ich erst einmal ziemlich lang "stecken geblieben". Ich lag so um Rang  20 herum. Auf der ersten Runde war auch noch sehr viel Verkehr. Bis ich  dann endlich mein Ding fahren konnte, hat es ein Weilchen gedauert. Es  war eine geniale Aufholjagd und total motivierend, wenn man nur  überholt. Auf der Strecke gab es viele Defekte, wodurch man auch  unerwartet wieder an Konkurrentinnen heranfahren konnte, die vorher  bereits „unerreichbar“ schienen. Es war alles offen. Ich bin zum Glück  defektfrei durchgekommen und habe viel Zeit gutgemacht. Ich bin mit dem  achten Platz richtig zufrieden.Noch einmal ein Top-Ten-Ergebnis.

Ein Rettungsturm vor Bären?
Das  Cross-Country-Rennen der Jungs hatte schon vor meinem stattgefunden. Ich  hatte, als ich meine Sachen fürs Rennen zusammen gepackt habe, den  Livestream auf dem Handy angemacht und die Jungs immer mal wieder  vorbeihuschen sehen. Ich hatte zwar keine Zeit, beim Livetiming zu  schauen, auf welchem Rang sie liegen, wusste aber, dass sie nicht  schlecht unterwegs sein müssen, wenn sie beim Livestream zu sehen sind.  Platz zwölf für Paul und Platz 14 für Lenny sind einfach genial. Das  erste Rennwochenende in Nordamerika war auch schon vorbei. Die Planungen  für die Weiterreise nach Kanada liefen. Unsere Räder mussten am  nächsten Tag schon früh verpackt sein. Ein Teil der Räder fuhr mit dem  Scott Sram Team nach Kanada, der andere Teil mit dem BDR. Das hieß, dass  wir am Montag schon früh aufs Rad mussten, wenn wir noch ein bisschen  fahren wollten, ansonsten wäre es erst wieder drei Tage später in Kanada  möglich gewesen. Paul ist zusammen mit seinem Bruder eine Runde  gefahren, während Lennart und ich uns dann doch auch mal abseits von  Straßen bewegt haben. Zusammen sind wir die empfohlene Runde von Thomas  gefahren. Auf der Runde gab es einen Aussichtsturm mit wirklich genialer  Sicht. Es war richtig schön. Wir haben dann gescherzt, ob der  Aussichtsturm nicht doch vielleicht ein Rettungsturm vor den Bären ist?  Wir waren schon ganz froh, dass wir keinen Bären in West Virginia  begegnet sind. Ich hätte aber auch nicht gewusst, wie ich mich verhalten  soll, wenn ich auf einen getroffen wäre. Glück gehabt.

Als unsere Räder dann auf dem Weg nach Kanada waren, war der Tag noch  lang und wir wussten nicht, was wir machen sollten. Kartenspiele oder  was anderes hatte niemand dabei. Ich habe dann am Vormittag erst mit  meinem Freund, dann mit meiner Mama telefoniert. Und es war wirklich  schön, mal Zeit dafür zu haben. Mit der Zeitverschiebung ist das gar  nicht so einfach. Vormittags hatte ich eigentlich immer was zu tun oder  war beim Training und wenn es in Amerika dann am Nachmittag ruhiger  wurde, war es zu Hause schon Schlafenszeit. Während Paul an diesem Tag  noch zum Baden im See war, habe ich einen Spaziergang mit Aussicht auf  den See gemacht und Lennart war in sein Studium vertieft, während Flo  einfach nur einen Faulen gemacht hat. Gerne wäre ich auch zum Schwimmen  gegangen, doch im Auto war kein Platz mehr frei. Ohne Fahrrad war der  See halt doch zu weit weg. Da unser Koch Thomas auch schon mit dem  BDR-Auto auf dem Weg nach Kanada war, ist der Rest vom Team abends Pizza  essen gegangen. Das Restaurant war wie man es aus amerikanischen Filmen  kennt und die Pizza ganz anders als bei uns. Der Boden war total  knusprig, auf der ganzen Fläche. Flo, Paul und ich haben uns für die  extra große Pizza entschieden, während Lenny die kleine genommen hat.  Später wussten wir dann, dass die große doch ein bisschen zu viel war.  Aber so hatten wir wenigstens genug Proviant für den Reisetag, der uns  bevorstand.

Am nächsten Tag ging's dann mit dem Auto wieder Richtung Washington und  anschließend mit dem Flugzeug nach Montreal, von dort mit dem Auto  weiter bis Mont-Sainte-Anne. Wieder ein sehr langer Reisetag, erneut  kamen wir erst spät nachts an und sind ins Bett gefallen. Vielleicht  wäre es tatsächlich besser gewesen, mit dem Auto nach Kanada zu fahren,  denn Thomas, unser Koch, ist wahrscheinlich stressfreier und vor allem  früher in Kanada gewesen und hatte auch einen besseren  Tag-Nacht-Rhythmus. Am nächsten Tag haben wir unsere Räder selbst  aufgebaut und sind zusammen mit dem Jungs vom BDR eine Runde gefahren.  Wir sind alle Richtung Quebec unterwegs gewesen, um uns dort den  Wasserfall anzuschauen. Wir haben dann aber feststellen müssen, dass man  dafür Eintritt bezahlen muss. Naja, von oben war die Sicht auf den  Sankt-Lorenz-Strom jedenfalls auch gigantisch. Auf dem Weg zurück haben  Lenny und ich uns von der Gruppe abgekuppelt und sind wieder Intervalle  und Sprints gefahren. Am Abend war das gesamte Team bei Abus eingeladen,  um die Vorstellung des neuen Helmes mitzuerleben. Als wir den Weg  dorthin ohne Navigationsgerät endlich gefunden hatten, wurden wir  herzlich empfangen. Es war ein richtig schöner Abend. Wir sind nett  zusammengesessen und es fanden sehr interessante Gespräche statt.  Zusammen wurde gegrillt. Und zur Feier des Tages wurde auf einer  Leinwand der Film „Nothing's for Free“ geschaut. Ich muss sagen, es war  der geilste Bikefilm, den ich je gesehen habe. Da war Paul mit mir einer  Meinung. Leider mussten wir den Abend schon vor Filmende verlassen, da  wir ja am nächsten Tag fit sein sollten. Aber irgendwann muss ich den  Film auf jeden Fall noch bis zum Ende anschauen. Am nächsten Tag konnten  wir die Strecke besichtigen. Ich habe zufällig am Startbogen Nina, Lia,  Theresia und Naama getroffen. Zusammen sind wir auf die Strecke  abgefahren und ich muss sagen, ich habe mich echt nicht so fit gefühlt.  Der Teil bergauf hat sich einfach ewig angefühlt und ich war froh, als  ich endlich oben war. Dann haben wir uns erst einmal zu Fuß die  technischen Passagen angeschaut. Da wir zuvor schon den Wetterbericht  gecheckt hatten, wussten wir, dass wir uns auf Linien konzentrieren  müssen, die wir vermutlich auch bei nassen Bedingungen fahren können.  Das war aber gar nicht so einfach auf einer staubtrockenen Strecke. Eine  Runde war mir dann aber genug, gerade mit dem Hinblick auf das Short  Race am Abend.

"Musste wieder zu mir finden"
Der erste  Eindruck von der Cross-Country-Strecke in Kanada: viel bergauf und echt  technisch. Ich finde, die Strecke ist eine der schwierigsten  überhaupt.Technisch ist zwar alles zu fahren, aber konzentrationsmäßig  ist das nicht einfach. An der höchsten Stelle der Strecke, wenn der Puls  ganz oben ist, kommen die technischsten Passagen und auch Stellen, bei  denen man sich bergauf sehr konzentrieren muss. Und so habe ich mich  entschieden, ein kleineres Kettenblatt zu montieren – das 30er.

Vor dem Start des Short Races ging's mir irgendwie komisch. Ich weiß  nicht wieso, vielleicht weil es schon der letzte Weltcup der Saison war.  Kurz vor dem Start habe ich aber wieder gute Laune bekommen. Gerade die  Leute vor Ort haben gute Stimmung verbreitet und die Musik hat alles  wieder gerettet. Ich bin richtig gut gestartet und anfangs schön vorne  mitgefahren, aber es war schon extrem hart. Vor allem, als ich am Ende  der Gruppe war und immer dem Ziehharmonika-Effekt ausgesetzt war. Mitte  des Rennens bin ich dann aus der Führungsgruppe herausgefallen. Später  konnte ich mich mit Kira Böhm wieder heranarbeiten. Danach hat es mir  aber den Stecker gezogen, der Motor ist explodiert und ich habe mich die  letzten zwei Runden nur noch bis zum Ziel geschleppt. Hart am Limit.  Trotzdem bin ich noch auf Platz zwölf ins Ziel gefahren und hatte somit  einen Startplatz aus der zweiten Reihe für das XCO-Rennen sicher.  Anschließend habe ich mich erst mal auf eine Wiese gesetzt und musste  wieder zu mir finden. Ich weiß nicht wieso, aber ich war einfach nicht  mehr bei mir selbst. Das Rennen der Jungs wurde gestartet und der Start  von Paul war nicht ganz so gut. Gegen Ende des Rennens ging es ihm  genauso wie mir und er ist ziemlich zurückgefallen. Zu viel investiert  am Anfang. Er wurde 26. Bei Lennart lief es dagegen richtig gut, mit  Platz 14 sicherte er sich einen Startplatz in der zweiten Reihe für das  Hauptrennen am Sonntag. Tags darauf habe ich trainiert. Ich bin dann mit  der Strecke schon viel besser klargekommen als am Vortag, ich habe  bessere Linien gefunden und auch der Teil bergauf ist mir nicht mehr so  schwergefallen. Danach bin ich schnell runter zur Unterkunft gefahren,  hab' geduscht und mich schnell umgezogen, um dann wieder gemeinsam mit  unserem Physio Flo und unserem Mechaniker Marius zu Fuß auf die Strecke  zu gehen. Es war wirklich cool mit den beiden. Wir haben neue Linien  gefunden und uns überlegt, welche Linien bei Nässe gut sein könnten. Ich  hatte dann wieder die Aufgabe, das gelernte Wissen am nächsten Tag  umzusetzen. Am Abend haben wir die XCC-Rennen der Elite auf dem  Livestream angeschaut, während wir uns mit dem Auto auf den Weg nach  Quebec gemacht haben. Ich habe mich total gefreut, denn oft sind wir auf  der ganzen Welt unterwegs, sehen aber nie mehr, als die Rennstrecke und  die Unterkunft. Eigentlich schade. In Quebec angekommen, haben wir uns  auf die Suche nach einem Restaurant gemacht. Es stand entweder ein  veganes Restaurant für Lennart oder ein asiatisches Restaurant zur  Auswahl. Die Mehrheit hatte sich für das asiatische Restaurant  entschieden. Wir sind nicht auf dem direkten Weg zum Restaurant  gegangen, sondern noch ein bisschen durch die Stadt geschlendert und  alles sah wirklich sehr schön aus. Ich habe es echt genossen und es war  einer der lustigsten Abende, die ich mit dem Team bisher erlebt habe.  Ein Erlebnis werde ich nie vergessen, ich sag nur so viel: Marius  wollte, dass Flo von Paul und ihm ein Bild in der Innenstadt macht, doch  Flo hat sich das vor den vielen Menschen nicht getraut. Dann habe ich  den Job übernommen, ich sag mal so: Man hat verschiedene Hautteints  gesehen... mehr sag' ich dazu lieber nicht. Als wir vor dem Restaurant  standen, haben wir festgestellt, dass es doch das vegane Restaurant war  und nicht das asiatische. Nach kurzer Diskussion haben wir uns dann doch  dazu breitschlagen lassen, in das vegane Restaurant zu gehen und alle  waren mehr als überrascht. Es war wirklich ein sehr leckeres Essen.  Unglaublich gut. Jeder war danach so froh, dass wir das vegane  Restaurant gewählt hatten und sogar Paul hat der vegane Käse auf dem  Burger geschmeckt. Nach dem schönen Abend habe ich gut geschlafen.

Am nächsten Tag fand das letzte Training statt. Als wir losgefahren  sind, war die Strecke immer noch staubtrocken. Erst 20 Minuten vor  Trainingsende hat es angefangen zu regnen. Ich bin beim technisch  anspruchsvollsten Stück stehengeblieben und habe gewartet bis es etwas  nass wurde. Die letzten zehn Minuten habe ich dann versucht, so viel  Erfahrung auf der nassen Strecke zu sammeln wie irgend möglich. Ich bin  dann noch mit Laura Stigger die Runde zu Ende gefahren und es war echt  nett. Die Jungs hatten dann noch eine Stunde Training. Als sie  zurückkamen, waren sie mehr als begeistert. Paul hat sie auf jeden Fall  richtig gefeiert. Am Renntag selbst war ich echt nervös. Das Wichtigste war für mich bei  den nassen Bedingungen, heil im Ziel anzukommen. Die Strecke war nun  komplett anders. Ich hatte keine Matschreifen drauf und für die Schuhe  auch keine Stollen dabei. Es war sehr rutschig und vor allem bergauf  hatte ich gefühlt keinen Vortrieb mehr. Eigentlich hatte ich das Gefühl,  dass ich das Bike mehr geschoben habe als draufgesessen zu sein. Ich  bin beim Start richtig gut weggekommen und habe mich gut positioniert  und das war auch mein Glück, denn über das Rennen konnte ich die  Platzierung relativ gut halten. Es fanden oft Positionswechsel statt,  dennoch erreichte ich als Sechste das Ziel. Damit war ich mehr als  zufrieden, denn damit habe ich vor dem Race nicht gerechnet. Auch Paul  hat wieder ein geniales Rennen abgeliefert. Er ist als 13. ins Ziel  gekommen. Lennart hat leider die falsche Reifenwahl getroffen, aber sich  trotzdem stark durch den Matsch gekämpft und wurde 23.

Nach dem Race hab ich Paul gar nicht mehr gesehen bis zum Abendessen, es  war nun der Tag gekommen, um zu feiern. Saisonend! Nach dem Abendessen  haben wir uns auf den Weg zum Renngelände gemacht, doch dort war gar  nichts los. Dann sind wir zum Team „Cube next Generation“ gefahren. Da  ging dann schon mehr ab. Später haben wir dann von Luca Schwarzbauer  einen Standort zugeschickt bekommen. Und wenn Luca am Feiern ist, dann  geht auch wirklich die Party ab. Wir haben uns also alle auf den Weg zu  Luca in die Bar gemacht und natürlich ging dort eine tolle Party ab. Ich  glaube, wir alle verbrachten eine sehr coole, alkohollastige Nacht.  Aber die Heimreise stand schon wieder an, die zwei Wochen in Nordamerika  sind schnell vergangen. In der Früh die Koffer und Bikes einpacken und  dann ging's auch schon wieder nach Hause. Eigentlich dachte ich, dass  ich so müde bin, dass ich im Flieger gut schlafen werde, aber das hat  dann doch nicht so gut funktioniert. Naja, ich hab's überlebt. Vom  Flughafen in Frankfurt ging's dann den ganzen Weg rückwärts: erst nach  Freiburg, dann zu Flo nach Spaichingen und von dort wieder ins Allgäu.

An dieser Stelle möchte ich mich auch noch einmal bei Marius bedanken.  In Freiburg sind bei mir Tränen geflossen, als ich ihm tschüss sagen  musste. Es war eine so schöne Zeit mit dir, mit dir kann man echt jeden  Scheiß machen. Danke, dass du mein Bike immer wieder in einen  Top-Zustand gebracht hast und auf dich immer Verlass war. Ich finde es  echt traurig, dass ich den weiteren Weg ohne dich gehen muss, aber ich  freue mich riesig für dich. Genieße deine Elternzeit und lass' mal  wieder was von dir hören! Ich werde dich vermissen. Danke an das gesamte  Team für den Trip nach Übersee und die Erfahrungen, die ich sammeln  durfte. Ihr seid die Besten! So schnell werde ich die Reise als einziges  Mädel nur unter Jungs/Männern nicht vergessen. Ich sag euch eins: Es  ist eine sehr verrückte Zeit gewesen so als Huhn im Korb. Und wer es bis  hier hin durchgehalten hat, vielen Dank fürs Lesen. Wurde doch ein  bissl arg lang der Text, aber wenn du hier immer noch dabei bist, war's  wohl doch nicht ganz uninteressant. Bis bald mal! (Blogbeiträge der Mitglieder des Mountainbike Lexware Teams werden nun in regelmäßigen Abständen erscheinen)

Fotos: (c) Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Weitere Informationen unter www.lexware-mountainbike-team.de

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