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Cyprus Sunshine Cup 2019 / Yana Belomoina und Anne Tauber im Interview - Über den Wert von Team, Freundschaft und die Cross-Country-Kultur

Ganz unterschiedlich sehen für die  Teamkolleginnen Yana Belomoina und Anne Tauber die Wintermonate aus.  Belomoina flieht vor der Kälte der Ukraine, während Tauber (auf  Schlittschuhen) das Eis sucht. Aber wenn sie sich im Februar auf Zypern  begegnen, um die Saison zu beginnen, ist das Gefühl dasselbe: die  Spannung vor den Rennen und die Freude sich in der Equipe von Bart  Brentjens, dem CST Sandd Bafang MTB Racing Team wieder zu treffen.
 
Beide sind Frauen mit viel Potenzial, zwei  starke, unabhängige Persönlichkeiten.  Aber in einem Team von drei  männlichen Fahrern und einem überwiegend männlichen Umfeld ist das  gegenseitige Vertrauen, die wechselseitige emotionale Unterstützung,  Freundschaft und Inspiration mit entscheidend für ihren individuellen  Erfolg.
 
Im Anschluss an das Afxentia Stage Race im Rahmen des Cyprus Sunshine  Cup haben wir uns mit Yana Belomoina und Anne Tauber getroffen, um über  ihre Vorbereitungen für die Saison 2019, die Teamdynamik, die Kultur im  Cross Country-Sport und über die Bedeutung des Zusammentreffens in  Zypern zu sprechen.

Für Belomoina war der Einstieg in die  Saison kein einfacher. Seit August ist sie kein Rennen mehr gefahren,  den notwendigen Speed wollen ihre Beine noch nicht hergeben.  Beim  C1-Etappenrennen im griechischen Salamina Anfang Februar und auch beim  Afxentia war sie noch nicht dort wo man eine Weltcup-Gesamtsiegerin  (2017) vermuten würde: „Ich hoffte, dass ich bereit sein würde, aber der Speed war noch nicht da.“

Bei einem Sturz beim Swiss Bike Cup in Villars brach sie sich die Hand,  so dass sie ihre Saison vorzeitig abbrechen musste. Das war aber nicht  die einzige Verletzung, mit der sich die Ukrainerin beschäftigen  musste.

Beim einem Trainingssturz auf der Straße im Herbst 2017, hatte sie eine  schwere Hüftverletzung erlitten. Ihr Körper habe viele Traumata  durchgemacht; die Operationen, die Medizin und die Krankenhauszeit  summieren sich zu einer körperlichen Belastung, für die es Zeit braucht  um sie zu kompensieren.

  
Körper war bereit für ein Rennen –  
aber nicht für ein weiteres

Eine Ahnung von der Yana Belomoina aus  2017, als sie Weltcup-Gesamtsiegerin wurde und drei Rennen der Serie  gewann, bekam man im vergangenen Jahr als sie in Albstadt Zweite wurde.  Sie schien wieder auf dem Weg zu sein, das weiße Weltcup-Jersey zu  verteidigen. Oder zumindest in den Kampf eingreifen zu können.  

Es war ein tolles Gefühl im Rennen. Ich konnte gar nicht glauben,  dass ich zurück bin, aber danach habe ich erwartet, dass alles in  Ordnung ist. Doch es war nicht so. Der Körper war bereit für dieses  Rennen, aber nicht für ein weiteres. Im Winter habe ich alles getan, was  ich (mit der Verletzung) konnte, aber ich habe nicht im Fitnessstudio  gearbeitet und nichts für meine Kraft gemacht. Mein Körper war (für die  ganze Saison) nicht wirklich bereit.“

Nach dem Knochenbruch im August kam Belomoina das zweite Jahr in Folge  nicht in der Form nach Zypern, in der sie sich zu diesem Zeitpunkt des  Jahres eigentlich sieht. Im Gegensatz zum Vorjahr konnte sie beim Afxentia Sage Race zumindest  starten. Am letzten Tag, im Cross-Country-Rennen, belegte sie einen  starken 5. Platz und insgesamt den 13. Rang.

Im Februar 2018 traf Anne Tauber als  Neuling im Team auf eine Yana Belomoina, nicht wie sie es erwartet  hatte, sondern auf eine Athletin, die mit sich und ihrer Rekonvaleszenz  beschäftigt war.  Dennoch sieht Tauber diese Phase als Lernprozess und  ein Stück weit als Grundlage für eine freundschaftliche Beziehung  zwischen den beiden.  
 
„Natürlich wusste ich, wie stark Yana in der vorangegangenen Saison  war. Als Neuling im Team und in der Elite-Kategorie habe ich mich  wirklich von Yana inspirieren lassen. Ich weiß aber auch, dass so was  (eine Verletzung) manchmal vorkommen kann. Ich habe noch nie eine große  Verletzung erlebt, und ich habe gesehen, wie schwierig es für Yana war,  zurück zu kommen.

Nicht, um nur wieder gesund zu sein, sondern auch um sich wieder in den  Rennrhythmus zu bringen. Es ist so schwer, deinen Körper an das  (notwendige) Limit zu bringen, und wenn du so lange keine Rennen fährst,  ist das schwierig. Es war auch interessant für mich zu sehen, wie man  mit einer Verletzung umgeht und was dann passiert.“


Auch für Yana Belomoina war es da scheinbar eine sehr positive  Erfahrung, Anne Tauber im Team zu haben. Beide Sportlerinnen erklärten,  wie wichtig es ist, miteinander zu reden, und betonten, dass es sehr  hilfreich sei, eine Frau im Team zu haben. „Wir haben viel mehr  Jungs im Team. Für mich ist es einfacher, wenn ich eine Frau im Team  habe. Wenn ich sprechen möchte, habe ich immer Anne “, erklärte Belomoina.

Das soll sicher nicht heißen, dass die  Mannschaft ein von Jungs bestimmter Klub ist. Yana Belomoina beschreibt  es im Gegenteil so: "Es ist wie meine zweite Familie. Wir sind seit  fast sechs Jahren zusammen und ich bleibe gerne bei diesem Team. Ich  hatte eine wirklich gute Saison 2017, aber wenn etwas passiert, was mir  passiert ist, dann ist es mental sehr hilfreich (Unterstützung im Team  zu haben).“

Es ist erst das zweite Jahr von Anne Tauber im Team von  96er-Olympiasieger Bart Brentjens, aber sie spricht mit einem Faible für  die Atmosphäre und die Menschen. Im Winter habe sie ihr Team vermisst,  sagt Tauber. Was denn genau?

„Ich denke, den Teamgeist. Wir trainieren nicht immer zusammen, aber  wir können über Trainingsinhalte sprechen oder einfach über nichts  wirklich Wichtiges plaudern. Ich denke, Radsport ist ein ziemliches  Abenteuer. Wir reisen durch die ganze Welt und es ist einfach schön,  diese Erfahrung zu teilen. Es ist seltsam, aber ich denke, wir leben ein  ganz außergewöhnliches Leben. Im Winter trainierst du alleine und hast  keine Ahnung, wo du stehst. Es ist also gut, wieder zusammen im Team zu  sein."
 
Im beschriebenen Teamgeist scheint Konkurrenz keinen Platz zu haben.  Bietet er stattdessen eine Umgebung, in der sie sich gegenseitig pushen  können? Nein, sagen sie. Es geht nicht darum zu pushen, sondern mehr um  gegenseitige Unterstützung.

Anne Tauber und Yana Belomoina erinnerten sich sofort an den Albstadt  World Cup 2018, als beide auf dem Podium standen. Im Ziel umarmten sie  sich und lachten miteinander im gemeinsamen Glück. Es war etwas, das ein  Lächeln auf das Gesicht eines jeden zauberte, der sie beobachtete.

„Das war etwas Besonderes“, bestätigt Anne mit einem breiten Grinsen auf ihrem Gesicht. „Ich  finde es gut, in derselben Kategorie zu fahren. Ich denke, es ist mehr  Druck, wenn man alleine ist. Dann bist du die Einzige, die Ergebnisse  erzielen muss“, fügt sie mit einem Lachen hinzu.
 
Vielleicht hilft auch der Unterschied in Alter und Erfahrung, diese  scheinbare fehlende Konkurrenz zwischen den zwei Top-Athletinnen zu  erklären. Yana Belomoina ist seit 2009 im Weltcup-Zirkus und jetzt im  fünften Jahr in der Elite. Anne ist erst 23 Jahre alt und fährt erst  seit drei Jahren ernsthaft Mountainbike. Die Niederländerin spricht mit  großer Bewunderung über ihre Teamgenossin.

„Ich war sehr erstaunt, wie sie sich (2017) entwickelt hat,  insbesondere über ihre Ausdauer. Es gab eine große Kluft zwischen Yana  und dem Rest. Ich war inspiriert von der Art, wie sie fuhr. Sie war so  eine gute Kletterin. Von den gleichen Ergebnissen wie Yana habe ich nur  geträumt. Dieses Niveau habe ich noch nicht erreicht. "

Der Respekt ist gegenseitig. „Als Anne  in das Team kam, war ich stolz, als ich hörte, dass sie 200 Kilometer  lange Speedskating-Rennen fuhr. Ich konnte nicht glauben, dass man 200  Kilometer Eisschnelllaufen kann! Es ist verrückt, sie ist verrückt! “, Yana dreht sich zu Anne und beide brechen in Gelächter aus.
 
Taubers Eisschnelllauf-Hintergrund und ihr damit später Wechsel zum  Radfahren machen ihren bisherigen Erfolg noch bemerkenswerter. „Als  ich mit dem Eisschnelllauf angefangen habe, bin ich überhaupt nicht Rad  gefahren. Meine Eltern sagten immer: Wenn du als Athlet jemals ein  Spitzenniveau erreichen wirst, es wird spät sein. Du bist klein, du bist  nicht so stark, entspann’ dich und hab’ Spaß, dann wird die Leistung  kommen“, erklärt Anne Tauber.

„Als ich mit dem Radfahren anfing, war ich aber überhaupt nicht zu spät, im Gegenteil, es ging ziemlich schnell“, fügt sie dann sie mit einem Lachen hinzu.
  
Kaffee und Kekse: Gefühl von Verwirrung
nach dem ersten WC-Podium

So früh, dass sie mit von ihrem ersten  U23-Weltcup-Podium damals völlig überwältigt war und gar nicht wusste,  wie sie die Situation verarbeiten sollte. „Ich wusste nicht, was da passiert war. Ich ging ins Wohnmobil  meiner Eltern und meine Mutter machte eine Tasse Kaffee und Kekse - was  sie immer tat, wenn ich traurig bin “, erinnerte sich Anne mit einem Kichern. Wenn sie traurig war..

Tauber betrieb zu diesem Zeitpunkt das Eisschnelllaufen noch mindestens  gleichwertig und das Radfahren war etwas Neues und Unbekanntes. Sie  beschreibt das Gefühl auf dem Podest zu stehen als „verwirrend“,  als eine unerwartete Situation, die eine völlig neue Mixtur von  Erwartungen, emotionaler Investition und überraschenderweise auch  Selbstzweifel mit sich brachte.

„Ich war mir nicht sicher, ob das eine Ausnahme war, ein Fehler, etwas Seltsames das mit mir passierte“, versuchte sie die Gefühlslage im Rückblick zu erklären.
 
Diese Erfahrung beschreibt Tauber im nachhinein als eine Lektion. Eine,  die sie das erste Elite-Podium 2018 in Stellenbosch entspannt und  fröhlich erleben ließ. Obschon der dritte Rang vergangenes Jahr im  ersten Weltcup-Rennen für das Brentjens-Team durchaus eine Überraschung  war.  

“Ich weiß nun, wie ich damit umgehen muss. Ich bin sehr froh im  Mountainbike-Sport gelandet zu sein. Ich liebe diesen Sport einfach, ich  will in jedem Rennen Erfolg haben, aber es macht nichts aus wo, ich  freue mich einfach zu fahren.”

Doch der bisherige Erfolg lässt sie nicht ruhen. 2019 hat sie ihren  Einstieg in die Saison korrigiert. Auf Zypern fuhr sie dieses Jahr keine  Rennen, sondern macht das Foto-Shooting ihres Teams mit und nutzt die  Mittelmeer-Insel zum Trainieren.
 
Das Eisschnelllaufen gehört nicht der Vergangenheit an, sondern ist  jetzt zum Training in der Nebensaison mutiert. Inklusive Wettkämpfen. Im  Winter 2017/18 wechselte sie schnell in den Radsport-Modus, um für den  Weltcup-Auftakt im März bereit zu sein. Natürlich war das Podium in  Stellenbosch eine enorme Leistung, aber ohne eine Unterbrechung zwischen  Winter- und Sommer-Saison konnte sie gegen Ende der Saison keine  Steigerung mehr erzielen.

„Jetzt versuchen wir es etwas anders. Ausdauertraining habe ich  bereits im Winter und wir haben uns jetzt ein wenig auf das  Krafttraining konzentriert. Das lässt mich hoffentlich in die Saison  hineinwachsen. Vielleicht fange ich mit weniger guten Ergebnissen an,  aber wir werden sehen, wie es mir in Albstadt (Weltcup-Auftakt) geht.“
 
Im Gespräch mit den beiden Weltklasse-Athletinnen geht es um Änderungen  am Trainings- und Rennprogramm, um die Erholung nach Verletzungen, aber  sie kommen immer wieder auf die Freundschaft und Team-Kultur zurück.
  
Maksym bedeutet
Stabilität und Sicherheit

 Was  bedeutet für Belomoina, dass ihr  Ehemann Maksym Teil des Betreuer-Teams ist? Von zentraler Bedeutung,  sagt sie. Die Oma in der Ukraine, offensichtlich ist sie sehr wichtig in  Belomoinas Leben sehr wichtig und motiviert sie, aber es ist Maksym -  der Mechaniker des Brentjens-Teams -, der ihr Stabilität und Sicherheit  vermittelt, überall in der Welt zuhause zu sein..

„Ohne ihn wäre es schwer“, sagt Belomoina. „Für mich ist es  wichtig, es ist mein Leben, er ist mein Ehemann. Zu Hause wartet meine  Oma auf mich, aber für sie ist es auch wichtig, Maksym an meiner Seite  zu haben. Sie weiß also, dass ich in guten Händen bin.“

Für Anne Tauber beeinflusst das weder die  Dynamik im Team, noch verursacht sie eine Spaltung. Sie ist sehr angetan  von Maksyms Arbeit und scherzt darüber, dass Yana und Maksym  normalerweise schon da sind, wenn sie zu einem neuen Rennen oder einem  Trainingslager kommen – was bedeutet, dass die Einkäufe schon erledigt  sind. Über das Gesicht von Tauber fliegt wieder ihr freundliches,  sympathisches Lachen.

Es sind jedoch nicht nur die Freundschaften und die Unterstützung  innerhalb eines Teams, die eine so attraktive Kultur im Sport schaffen.  Anne Tauber und Yana Belomoina sprechen über die Atmosphäre in der  ganzen Mountainbike-Szene.

Es ist kein Geheimnis, dass Fahrer aus  verschiedenen Teams und Nationen zusammen trainieren, zu den Hochzeiten  des jeweils anderen gehen und wann immer sie können einen Kaffee  trinken. Etwas überraschender ist schon, dass sie sich während der  Rennen gegenseitig anfeuern!


„Es ist großartig, ich liebe es!  Jolanda [Neff] feuert dich im Rennen an… Einige Leute tun es, Gunn Rita  [Dahle Flejaa] hat es auch immer getan “, erzählt Anne Tauber mit  einem Lachen. Ein wenig scheint sie immer noch erstaunt, dass ihre  Idole, Konkurrenten und Freunde ein und dieselben Personen sein können.

Erfolg kann die Basis für Erfolg sein. Nach ihrem ersten  Elite-Weltcup-Podium erklärte Yana Belomoina, dass sich ihre Einstellung  geändert hatte, weil sie dann wirklich an sich und die eigene Qualität  glaubte. Nach ihrem ersten Elite-Weltcup-Sieg verstärkte sich das noch. "Es ist wirklich cool zu registrieren, dass du die Beste bist."

Aber auch die gegenseitige Unterstützung führt zum Erfolg: „Ich kam in den Sport und wusste nicht, wie es funktioniert. Dann  erkennst du, wie freundlich es ist und wie man dir hilft Teil dieser  Familie zu sein. Ich hatte das Gefühl, die richtige Entscheidung  getroffen zu haben, mit dem Radfahren zu beginnen, weil ich mich in der  Welt, in der ich lebe, sehr wohl fühle.“
 
Dieses Sich-Wohlfühlen wurde in jeder Minute dieses Gesprächs spürbar  und ihre Teamkollegin ließ auch keinen Zweifel aufkommen, dass sie am  richtigen Platz und im richtigen Sport gelandet ist.

P.S.: Yana Belomoina gewann einige Tage später das finale Rennen des Cyprus Sunshine Cup.


Weitere Informationen unter www.activatecyprus.com

Fotos Copyright: Armin M. Küstenbrück / Anna Buick
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