MTB Sport News Juli 2020 10 - www.mtb-sport.de - die Mountainbike Seite im Netz!

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Schweizer Doppelsieg zum Auftakt des Engadin Bike Giro

Simon  Vitzthum (jb Brunex Felt) und Alessandra Keller (Thömus) lassen bei der  ersten, mit 35 km noch recht kurzen Etappe, die Marathon-Spezialisten  hinter sich. Unter  strahlendem Sonnenschein startete das erste Schweizer Rennen nach der  Corona-Pause im Herzen von St. Moritz. Beim Engadin Bike Giro  durften 460 Fahrer auf die drei Etappen durch das obere Inntal gehen,  natürlich auch mit Corona-Auflagen: Keine gemeinsame Feedzone, dafür  aber mit Masken vor dem Start und nach dem Ziel. Mit erstaunlich hohem  Tempo starteten die Elitefahrer hinaus auf die Strecke. Noch schneller  war der junge Schweizer Simon Vitzthum, der gleich eine Soloattacke  lancierte und einen kleinen Vorsprung ergatterte, der dann aber nicht  lang hielt. Bald hatte sich aber eine dreiköpfige Spitzengruppe gefunden  mit Vitzthum, dessen Landsmann Lukas Flückiger (Infinity) und dem  Österreicher Daniel Geismayr (Centurion Vaude). Die Gruppe konnte sich  gemeinsam einen kleinen Vorsprung herausfahren, der bis ins Ziel hielt.  Vor der letzten Abfahrt hinunter zur Talstation der St. Moritzer  Signalbahn setzte sich Vitzthum an die Spitze, während Geismayr bereits  ein paar wenige Sekunden Rückstand hatte, ehe es in den Foppettas Trail  ging. „Simon war im ersten Teil viel stärker“, zollte Flückiger dem  Sieger Tribut. Oben auf der Fläche ist Simon viel im Wind gefahren.  Deswegen habe ich ihn nicht mehr am Schluss attackiert. Das fand ich  fair. Und es sind ja noch zwei Tage.“ Ähnlich sah es auch  Marathon-Spezialist Geismayr. Der Fahrer im Trikot des Österreichischen  Staatsmeisters zeigte sich ob des dritten Platzes durchaus zufrieden:  „Ich war heute sicher im Nachteil mit dem Hardtail. Aber es ging mir  nicht um die Platzierung, sondern ich will die Gesamtwertung gewinnen.  Die heutige kurze Distanz liegt mir eher nicht so. Morgen, wenn die  längeren Anstiege kommen, steigen meine Chancen ein bisschen“, zeigte  sich der Vorarlberger trotz seines Rückstandes von 21 Sekunden  zuversichtlich.

Vitzthum  (Siegerzeit 1:26:30 h) hingegen kann in diesem Jahr schon auf einige  Erfolge in der Vor-Corona-Zeit zurückblicken. Der Rheinecker (SG) hat im  Gegensatz zu den meisten anderen schon immerhin sieben Renntage in den  Beinen, bevor der Rennbetrieb wegen der Corona-Pandemie eingestellt  wurde. „Ich war schon am Costa Blanca Race und am Mediterranean Epic,  bei dem ich zwei von vier Etappen gewinnen konnte.“ Er zeigte sich  sichtlich glücklich mit seinem erneuten Sieg: „Ich hatte schon gehofft,  dass noch etwas Form da ist. Jetzt kann ich auch meine Sponsoren gut  präsentieren.“

Der  Tour-de-France-Etappengewinner Simon Geschke (Team CCC) nutzte den  Ausflug aufs Mountainbike zu einer erfolgreichen Trainingseinheit: „Das  war heute mein erstes Mountainbike-Rennen seit 18 Jahren“, sagte Geschke  im Ziel. Der Deutsche hatte allerdings 6:26 min Rückstand auf Vitzthum  und wurde als 21. klassiert. „Das Ergebnis ist aber sekundär für mich.  Es macht einfach Spaß, durch den Wald zu ballern. Technisch habe ich  noch Potential nach oben, wenn ich mir die Mountainbike-Profis hier  angucke. Das ist schon eine andere Welt.“

Die  eigentlichen Favoriten auf den Tagessieg mussten allerdings Forfait  geben: allen voran Vorjahressieger Sascha Weber (Majola-Rocky Mountain),  der bereits früh in einen Händel mit Simon Stiebjahn (Bulls) geraten  war, danach auch noch einen Platten hatte, seine hintere Steckachse  verlor und zum Schluss auch noch stürzte. „Eigentlich könnte ich gleich  wieder heimfahren“, ärgerte er sich im Ziel. Immerhin hat er exakt 9:00  min Rückstand auf Vitzthum. Besser erwischte es Simon Stiebjahn (7.),  der in der Verfolgergruppe das Ziel erreichte. Deren Sieger hieß  allerdings Georg Egger (Lexware, +2:02 min), der zeitgleich mit Julian  Schelb (Stop&Go Marderabwehr) und zwei Sekunden vor Stiebjahn die  Ziellinie an der Signalbahn überquerte, gefolgt von Nicola Rohrbach  (Goldwurst Power). „Ich habe mich heute sogar noch besser gefühlt als  vor einer Woche in Tschechien“, ordnete Egger sein Ergebnis ein. Der  Obergessertshausener musste sich aber zunächst an die dünne Luft im  Engadin gewöhnen: „Als es zum ersten Mal berghoch ging, hatte ich  Probleme, meinen Atemrhythmus zu finden. Beim zweiten Mal lief es schon  besser. Hier auf der Höhe ist es wichtig, konzentriert zu atmen. Ich war  am Limit berghoch, wenn ich getrunken habe oder ein Gel genommen habe:  Dann war ich eine Minute lang kurz vorm Eingehen, aber dann ging es  wieder.“ Allrounder Stiebjahn, der sowohl im Sprint, über die olympische  Distanz und im Marathon sowie bei Etappenrennen schon Erfolge feiern  konnte, fand das Tempo am Anfang „extrem hoch“. „Erst dachte ich: ‚Du  bist wohl doch nicht so gut vorbereitet!‘, aber dann hat es sich doch  wieder relativiert.“ „Morgen erwartet uns eine ganz andere  Renncharakteristik und ein ganz anderer Rennverlauf“, ist sich der  Badener sicher.

Das  Rennen der Frauen dominierte über eine lange Distanz die Deutsche  Cross-Country-Meisterin Elisabeth Brandau (Radon EBE), doch ein  Schleicher machte sie bergauf immer langsamer und zwang sie in der  Abfahrt vom Rad. Diese Chance nutzte die ehemalige U23-Weltmeisterin  Alessandra Keller (Thömus), die schon im Anstieg an Brandau  herangefahren war, und sicherte sich souverän den Sieg über die erste  Etappe in einer Zeit von 1:44:37 Stunden. „Ich habe kein Problem mit der  Höhe“, so die Sportlerin aus dem Kanton Uri: „Ich wohne zwar im Tal,  aber ich trainiere oft in der Höhe, das macht mir nichts aus.“ Ungewohnt  war für die junge Schweizerin der Konkurrenzkampf mit den Männern:  „Bergauf konnte ich von ihnen profitieren, bergab war ich aber ziemlich  eingeklemmt.“ Keller ist in der Szene bekannt für ihre schnellen  Abfahrten.

Der  zweite Platz ging an die Deutsche Stefanie Dohrn vom Team  Centurion-Vaude. Die Spezialistin für Etappenrennen, die schon zweimal  die BIKE TransAlp gewonnen hat, hatte nach eigenen Angaben überhaupt  nicht damit gerechnet, hier beim Engadin Bike Giro so gut abschneiden zu  können: „Das Damenfeld ist richtig stark besetzt“, meinte die  28-jährige Fahrerin aus dem Bergischen Land. „Ich bin einfach nur  glücklich, dass überhaupt wieder ein Rennen stattfindet, dass man seine  Sponsoren präsentieren kann, dass wir zeigen können, dass wir hart im  Winter und im Sommer trainiert haben.“ Der dritte Platz war eine große  Überraschung, sowohl für die Fahrerin, aber auch für die Beobachter der  MTB-Szene. Immerhin war es erst das dritte Mountainbike-Rennen für  Steffi Häberlin aus dem Kanton Thurgau, die im Trikot des deutschen  Stop&Go Marderabwehr-Team startet. „Unerfahren wie ich bin, bin ich  gleich Vollgas losgefahren und musste am ersten Berg schon richtig  leiden“, beschrieb die 23-Jährige ihren ersten Eindruck. Dann aber fand  sie gut ins Rennen und konnte sich an den „coolen“ Abfahrten erfreuen,  „auch wenn ich technisch schon noch ein bisschen Nachholbedarf habe.“

Brandau,  die das Rennen lange dominierte hatte, verlor in der letzten Abfahrt  viel Zeit, weil sie immer wieder vom Rad musste, um den Reifen  aufzupumpen, und schließlich sogar ein Stück laufen musste. Mit einem  Rückstand von 12:18 min wurde sie nur Zwölfte und hat damit wohl alle  Chancen auf eine gute Platzierung in der Gesamtwertung eingebüßt.

Morgen  geht es auf der zweiten Etappe von Silvaplana über 71,2 km und 2.553  Höhenmeter hinauf auf 2.549 m und dann über die Corviglia in einer  rasanten Abfahrt den Olympia- und den Foppettas-Trail zurück nach  Silvaplana. Die Wettervorhersage lässt ein kühles und vor allem feuchtes  Rennen erwarten.


Weitere Informationen unter www.engadin-bike-giro.ch

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